Im Rampenlicht: Nathalie Praz

Persönliche Motivation

  • Was hat Sie ursprünglich dazu bewegt, sich im humanitären Bereich zu engagieren?

Ich war in meiner Arbeit in der Privatwirtschaft nicht mehr zufrieden. Irgendwann hatte ich wirklich das Bedürfnis, meine Energie einer Sache zu widmen, die es mir ermöglicht, mich für die Werte einzusetzen, die mir wichtig sind: Teilen und Solidarität.

  • Gab es ein bestimmtes Ereignis oder eine Person, die Ihre Entscheidung beeinflusst hat, Ihr Leben diesem Bereich zu widmen?

Nein, nicht wirklich.

Erfahrung und Entwicklung

  • Können Sie uns etwas über Ihren Werdegang im humanitären Bereich erzählen und über die verschiedenen Organisationen, mit denen Sie gearbeitet haben, bevor Sie dem Stiftungsrat von Ciao Kids beigetreten sind?

Zunächst habe ich in Indien für eine lokale Organisation gearbeitet. Dort habe ich sehr viel über das Leben von Straßenkindern in Indien gelernt. Im täglichen Kontakt mit diesen Kindern konnte ich ihre Widerstandskraft erkennen, trotz unglaublich schwieriger Lebenswege.

Danach habe ich für die Stiftung Terre des hommes als Projektleiterin für Asien gearbeitet.

Heute bin ich Projektleiterin für humanitäre Arbeit beim HEKS.

  • Wie hat sich Ihre Erfahrung in der humanitären Arbeit im Laufe der Jahre entwickelt, und welche wichtigen Lektionen haben Sie unterwegs gelernt?

Es ist schwierig, motiviert zu bleiben und in diesem Beruf nicht desillusioniert zu werden. Wir sind mit so viel Leid und Tragödien konfrontiert, die vermeidbar wären, dass das Risiko der Entmutigung groß ist. Im Laufe der Zeit habe ich mich immer stärker auf Notfallhilfe, also auf „life saving“-Maßnahmen spezialisiert.

In diesem Beruf besteht immer die Gefahr, fertige Lösungen aufzuzwingen – helfen zu wollen, aber dabei zu denken, dass wir mehr wissen als die Menschen, denen wir helfen wollen. Deshalb habe ich die neuen „Cash“-Ansätze unterstützt, die auf Geldtransfers anstelle von Sachleistungen beruhen und die würdevoller sind. Wir treffen keine Entscheidungen für andere; wir geben den betroffenen Menschen und Familien die Wahl zurück. Dies ist eine der wichtigsten Entwicklungen in der humanitären Arbeit.

Engagement bei Ciao Kids

  • Was hat Sie speziell zu Ciao Kids hingezogen, und warum haben Sie sich entschieden, dem Stiftungsrat beizutreten?

Indien hat einen besonderen Platz in meinem Herzen, da ich dort mehrere Jahre gelebt habe. Es ist mir wichtig, dass die Vergessenen des „Shining India“ nicht von allen vergessen werden. Ähnlich ist es in Nepal – für die meisten ein Land zum Trekking und mit wunderschönen Tempeln, aber die Realität ist oft von Diskriminierung geprägt. Die Unterstützung der Dalit- und Adivasi-Bevölkerung ist ein Anliegen, das ich voll und ganz teile.

  • Können Sie ein Projekt oder eine Errungenschaft von Ciao Kids nennen, auf die Sie besonders stolz sind?

Ich denke, wir können auf alle Aktivitäten von Ciao Kids stolz sein, vor allem aber auf die Art und Weise, wie Ciao Kids langfristig und in Partnerschaft mit lokalen Organisationen arbeitet.

Reisen nach Indien & Nepal

  • Gab es eine bestimmte Begegnung oder ein Ereignis, das Sie während Ihrer Reise mit Ciao Kids besonders geprägt hat?

Alle Begegnungen sind prägend, aber ich versuche immer, keiner Person bei den Feldbesuchen mehr Bedeutung zu geben als einer anderen. Das ist nicht leicht, da uns manche Geschichten stärker berühren als andere. Besonders bewegt haben mich die Geschichten sehbehinderter Kinder im Bundesstaat Jharkhand.

  • Wie haben diese Felderfahrungen Ihr persönliches Engagement für die Mission von Ciao Kids gestärkt?

Nach einigen Tagen mit sehbehinderten Kindern, die voller Lebensfreude sind, an ihre Zukunft glauben und alles tun, um ihre Träume und Ambitionen zu verwirklichen, kann man sich nur zutiefst demütig fühlen.

  • Welchen Rat würden Sie anderen Stiftungsmitgliedern oder Freiwilligen geben, bevor sie ins Feld gehen?

Treten Sie von Mensch zu Mensch in Kontakt. Wir sind alle gleich, und trotz unserer privilegierten Situation können wir uns immer auf Augenhöhe begegnen. Wir werden oft empfangen, als wären wir Ehrengäste – das sind wir nicht. Wir sind einfach Gäste! Bei den Besuchen sind wir da, um zuzuhören, was die Menschen uns zu sagen haben. Sie wissen, was wir ihnen bringen können, nicht wir.

Wirkung und Erfolge

    • Was ist Ihrer Meinung nach die bisher bedeutendste Wirkung, die Ciao Kids auf die Stammesgemeinschaften in Indien und Nepal hatte?

Ich bin ein großer Fan der SHGs (Selbsthilfegruppen). Für eine Frau, die sowohl unter Geschlechter- als auch unter Kastendiskriminierung leidet, ist finanzielle Unabhängigkeit ein wahr gewordener Traum. Es ist ein Beispiel dafür, dass alles möglich ist – dass Jahrhunderte von Unterdrückung und Bevormundung überwunden werden können.

Persönliches Engagement

  • Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der sich im humanitären Bereich engagieren möchte?

Bleiben Sie bescheiden, haben Sie Freude am Teilen und seien Sie bereit, von anderen zu lernen.